DIE ORKANE VIVIAN UND WIEBKE

zertrümmern am 28. Februar / 1. März 1990 die Wälder und die Arbeit von Waldbesitzern und Forstleuten

In der Nacht vom 28. Februar auf den 1. März 1990 rast der Orkan "Wiebke" über das bayerische Land. Er hinterlässt mit 23 Millionen Festmeter Schadhölzern eine breite Verwüstungsspur. Die Eichstätter Alb bleibt nicht verschont: in den bäuerlichen, den kommunalen und den staatlichen Wäldern des Forstamtes Eichstätt sind mehr als 200.000 fm Schadholz aufzuräumen. Am schlimmsten trifft es das staatliche Forstrevier Breitenfurt: 70.000 Festmeter Sturmholz liegen am Hochplateau. Dort hat der Orkan die massenreichen und wertholztüchtigen, bis zu 160-jährigen, großkronigen Fichten-, Buchen-, Eichen-, Kiefern-Altwälder aus der Herzoglich Leuchtenberg´schen Zeit, zu Boden geworfen und zertrümmert. Die Altwaldabteilungen um das ehemalige Schweinsparkhaus, die Grüne Lache, der Pechofen, das Kittenfeld, der Küchenschlag, dazu Schindbuck, Birkenschlag, Salzleitenebene, Fürstenhölzl, Mandelschlag sind eine Wüstenei; in die gemischten Baumhölzer um den "Eisernen Wegweiser" (ein historisches Stück aus dem Hüttenwerk Obereichstätt) reißt der rasende Sturm ein weithin baumleer klaffendes Loch von über 60 Tagwerk. 

Der 53-jährige Haumeister Michael Gegg, ein Waldarbeiter mit Leib und Seele und mit dem Breitenfurter wald von Kindheit an verwachsen, kann später nur immer wieder erschüttert und verständnislos mit dem Kopf hin und her wiegend erzählen:

"I hob des scho iagadwüi in mia drin khoth. I ho ned schlouffa kina. Umma drei in da Früi bin i affgwachd. Ja, was haausd denn dou rum. Nou bin i affgschdanna. Meij. Des had am Beach drom dröhnd und gschdönd wüi wenn da Woid gschria häid. Dou is ois hii, hon i ma dengd." 

So war es auch!

Die schlimme, freudlose Aufräumarbeit wird von allen Angehörigen des Forstamtes mit außerordentlichem Einsatz in 13 Monaten gemeistert. Neben den eigenen 21 männlichen Arbeitskräften helfen zeitweise das Forstamt Schernfeld mit jeweils 4-7 Männern mit. Dazu sind ab Herbst 1990 die Selbstwerberfirmen Allekotte, Bodmeier, Heller, Koller, Sarac und Schmid mit zeitweise bis zu 60 Leuten aus Polen, der Tschechoslowakei und Jugoslawien im Einsatz. 
Zur Unfallverhütung und Arbeitsbeschleunigung sind übers Jahr verteilt zehn Rad- und Raupenbagger im Einsatz. Vier angemietete Fuhrunternehmer fahren pausenlos aufgearbeitete Stammhölzer aus dem Wald hinaus auf Trockenlagerplätze, so zum Beispiel auf den Frauenberg, wo die Verwaltung der bayer. Bereitschaftspolizei Teilflächen des ehemaligen Exerzierplatzgeländes zur Verfügung stellt; andere Trockenlagerplätze sind der Spiegel-Acker, die Hauffwiese, die Mayerwiese und die Heckerwiese, dazu die Holzplätze der Ortschaften Pfahldorf und Hirnstetten. Weitere Stammhölzer gehen nach Daiting im Usseltal, wo der Säger Rembold einen Großberegnungsplatz für die Forstänmter Eichstätt, Kaisheim und Monheim einrichtet. Die im Wald verbleibenden „Schrotthölzer“ werden entrindet, um den Brutraum für die Borkenkäfer zu minimieren. Der Kampf um die wenigen Entrindungsmaschinen ist hartnäckig und nervig. Die Oberforstdirektion Ansbach und insbesondere die Oberforstdirektion Regensburg, Herr Ltd. FD Hermann Siebler, leisten dabei echte Nachbarschaftshilfe. Hilfe kommt auch mit einer Maschine aus Norwegen. Die Resthölzer bringt ein Heer von aber Hunderten von Selbstwerber-Familien außer Waldes, oder die Resthölzer werden in Rückegassen eingebaut, sie werden gehäckselt, oder sie werden mit bodenschonenden achträdrigen Valmet-Rückezügen in Großlagern in und außerhalb des Waldes zusammengepackt.

Wider alles Erwarten sind die Hölzer bis März 1992 vermarktet. In normalen Jahren hätte sich aus der (Schad-)Holzmenge ein Ertrag von geschätzt 25-26 Mill. DM im staatlichen Forstbetrieb erwirtschaften lassen. In der Krise lassen sich gerade noch 13 Mill. DM erlösen. 
Die Verluste sind schmerzlich. 
Stolz stehen die Kronen der Kiefern über den Schadflächen im Hinmel. Die Baumart, die von uns Forstleuten die letzten Jahre nicht mehr für Wert befunden wurde, im Jura in das Bestockungsziel aufgenommen zu werden, stemmte sich trutzig und i.d.R. erfolgreich der Raserei entgegen; die Baumart Kiefer wird am wenigstens geworfen und am wenigsten gebrochen. 

Eine der großen Enttäuschungen beschert die Lärche; ihre Wurzeln zieht der Sturm aus dem Boden wie Nägel aus faulem Holz.

Sehr labil sind -insbesondere wenn über Jahrzehnte eingezwängt hınaufgewachsen-, die Waldbirken, die Waldaspen, die Waldsalweiden, die Waldkirschen und die Waldahorne.

Stabil, doch mit deutlichen Schwächen im Alter, bleiben die Eichen, die Buchen, Eschen, Hainbuchen u.a..

Die Fichte trifft es verständlicherweise am stärksten. Doch dem Augenschein nach kapituliert sie vor der rohen Naturgewalt in rund 50 % der Fälle allein nur durch Bruch. Das ist zunächst einmal bemerkenswert. Bei jedem zweiten Baum hält der Wurzelstock. Die große Angriffsfläche der grünen Winterkrone bricht ihr letztendlich das Genick.

Bezüglich der Gefährdung der Standorte sind folgende Beobachtungen bemerkenswert: Standorte mit sog. guten Bonitäten, also mit sehr wüchsigen, massenreichen, grosßkronigen, strukturreichen Waldbeständen, verwüstet der Sturm auf den Albplateaus i.d.R. in verheerender Weise; die gleiche Heimsuchung erleben die Wälder - etwa ab Stangenholzalter - auf den mäßig wechselfeuchten und den wechselfeuchten Standorten. Stabil bleibt hier allein der reine Eichenwald. 
Schließendlich verfolgt und findet die wütende Natur in allen Bestandsaltern und allen Bestandsstrukturen - Kulturen und Dickungen ausgenommen - den „flinken Reißer (Werkzeug zum Markieren der Bäume)“. Ungeduldige Waldbauarbeit, die mit schneller, kräftiger oder auch schematischer Hand versäumte Bestandsstrukturen nachformte, zerstört die herausgeforderte Natur mitleidlos.

Die so einfache Pflegeregel des Forstklassikers Georg Ludwig Hartig, „Früh, mäßig, oft“ in Waldbestände einzugreifen, bestätigt sich wieder mal als weise.

Zum Schluß: Im Mai 1992 sind die Wiederaufforstungsmaßnahmen in den bäuerlichen, den kommunalen und den staatlichen Wäldern mit laubbaumreichen Mischwäldern aus Stieleiche, Traubeneiche, Rotbuche, Hainbuche, Sommerlinde, Winterlinde, Esche, Bergahorn, Spitzahorn, Waldkirsche, Elsbeere, Speierling, Fichte und Lärche weitgehend abgeschlossen und vielerorts ist die Chance des Wald-Umbaus genützt.
 

Inhaltsverzeichnis

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GESCHICHTEN DES EICHSTÄTTER WALDES

1730 "DIE ANLAGEN" 
Vom offenen Barockgarten des 18. Jahrhunderts 
zum stillen Naturerlebnis der Jahrtausendwende 

DIE UNIVERSITÄTS UND SCHULSTADT Eichstätt 
1781 ehedem auch Sitz einer Forstschule

1785 EIN STERN FÄLLT VOM HIMMEL
oder der Meteorit von Wittmes

1817 - 1855 LETZTE GLANZLICHTER HÖFISCHER-JAGD 
der Sau- oder Schweinspark, der Hirschpark, 
die Fasanerie 

1910 DIE AFFENTALFICHTE
oder ein Christbaum so hoch wie der Domturm 

1973 NATUR PUR
das Naturwaldreservat im Beixenhart 

DIE FORSTVERWALTUNG IM EICHSTÄTTER LAND und DAS FORSTPERSONAL 

LITERATURVERZEICHNIS