Von der Fällaxt zum Computer – die Arbeit im Wald

„Die im Dienst der Holzmeister befindlichen Holzknechte beginnen ihre Arbeit
mit Tagesanbruch nach eingenommenem Frühstücke, welches gewöhnlich
aus einer Wassersuppe oder einer aus Wasser, Mehl und Schmalz
gekochten Speise, sogenanntem Retzel, Muß oder Schmarrn besteht und
das sich jeder Holzknecht gewöhnlich selbst bereitet. Um elf Uhr ist abermals
Eß- oder Mußzeit, wo ein ähnliches Gericht bereitet wird oder auch
sogenannte Knödel, Schmalzkneifeln, Nocken, Nudeln etc. etc. gekocht
werden. Frisches Quellwasser ist das Getränk. Um zwölf Uhr wird dann
wieder zur Arbeit geschritten, welche bis zur Abenddämmerung fortdauert.
Nach eingenommenem Abendimbisse, der in einer ähnlichen Mehlspeise
wie Morgens und Mittags besteht, begeben sich die Arbeiter zur Ruhe …“
Dieser Tagesablauf der Holzhauer wurde 1860 in den „Forstlichen Mittheilungen“
des Ministerial-Forstbureaus veröffentlicht. Er galt für die Holzmeister-
und Gespannschaften der Salinen-Forstbezirke, die schon vor Jahrhunderten
einen speziellen Fällungsbetrieb sowie den Nah- und Ferntransport
des Holzes entwickelt hatten. Das Holzmeistersystem hielt sich im
Gebirge bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. Die Hauer- und Bringerlöhne
lagen hier und im Spessart wesentlich über den Löhnen in den anderen
bayerischen Gebieten, in denen der Holzhauer oft nur ein einfacher Taglöhner
war.

In den Wäldern des Königreichs dienten bis Mitte des 19. Jahrhunderts
über drei Viertel des geschlagenen Holzes als Brennholz für Haus und Industrie.
Einschlag und Aufarbeitung des Holzes erfolgten lange durch den
Käufer. Die Holzhauer arbeiteten mit Fällaxt, Astaxt und Spaltaxt. Die Arbeitsgeräte
wurden vom örtlichen Schmied kostengünstig hergestellt. Die
Verwendung der teureren Säge war in manchen Gebieten seit etwa 1760 angeordnet,
in den Salinenwaldungen erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts.
Mühselig gestaltete sich viele Jahrhunderte lang die Holzausfuhr aus dem
Wald. Stammholz zog man mit Ochsen und Pferden zu Rampen, an denen die Fuhrwerke beladen wurden. Brennholz wurde auf der Schulter oder in
der Kraxe zu Ochsen- und Pferdewagen geschleppt. Das Holz wurde aus
dem Wald getriftet und für den Ferntransport auf Flößen weitertransportiert.
Tannen aus dem Frankenwald kamen so – wie erwähnt – als „Holländerholz“
bis nach Amsterdam, Bayerwaldholz und Gebirgsholz über die
Donau bis nach Wien. München und Augsburg wurden über Isar und Lech
aus dem Gebirge versorgt.
Trift und Flößerei lagen in Schwaben und Oberfranken sowie beim Ferntransport
in den Händen privater Floßherren, die das Holz oft schon auf dem Stock kauften, auf eigenes Risiko fällen und bringen ließen. Im Gebirge
und im Bayerischen Wald wurde die Trift überwiegend von der Forstverwaltung
selbst betrieben. Der Ausbau der Trift stellte eine große technische
und auch finanzielle Herausforderung dar, weil, wie die Forstverwaltung
1861 festhielt, „Anlage und Unterhaltung von Klausen, Wogen, Kanälen,
Schleusen, Spiegelfallen, Beschlächten, Holzfängen und Rechen, das Räumen
der Triftbäche, die Beschaffung und Unterhaltung der Requisiten etc.
sehr bedeutende Kosten in Anspruch“ nahmen. Am Ende der Triftstrecken
befanden sich Holzhöfe und Holzgärten, wo das Holz „zur Bequemlichkeit
des Publikums“ abgegeben wurde. Der Handel mit Floßholz blühte ab Mitte
des 19. Jahrhunderts auf, nicht zuletzt dank der „verbundenen Verbringung
der Roherzeugnisse der Gebirgsländer, als behauener Steine, Kalk,
Gyps, Kohlen, Torf etc. und verschiedener Victualien“.
Im Gebirge wurden die mit der Axt gefällten Stämme in freiem Treiben
die Hänge hinuntergelassen. Waren die Vorräte entsprechend groß, so wurden
Riesen oder Loiten angelegt: In Gräben oder Rinnen konnte das Holz
einigermaßen kontrolliert den Berg hinunterschießen. Im 19. Jahrhundert
begann man damit, umfangreiche Konstruktionen anzulegen: Die halbkreisförmigen
Rinnen liefen über ganze Hänge, überquerten Gräben und
Schluchten und waren von den Holzhauern so ausgewogen konstruiert,
dass das Holz sich mit dem nötigen Schwung bis zum Endpunkt fortbewegte.
Im Winter wurde das Holz auch mit Schlitten zu Tal gebracht.
Sogar Hunde wurden dazu herangezogen, die schweren Schlitten wieder
bergauf zu ziehen.
Die beginnende Industrialisierung wirkte sich auch auf die Arbeit im
Wald aus, Brennholz wurde zunehmend durch Kohle ersetzt. Für den Untertagebau waren gewaltige Mengen an Grubenholz zur Stützung der Schächte
nötig, auch Bau- und Schnittholz wurden verstärkt nachgefragt. Für die
Papierproduktion schließlich war Schleifholz erforderlich. Statt Brennholz
wurde von der Kgl. Forstverwaltung nun vermehrt Nutzholz verkauft,
dessen Anteil von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ausbruch des
Ersten Weltkriegs von 15 auf über 60 Prozent stieg. Dies führte in Teilen
Bayerns zu Brennstoffmangel, der durch die Nutzung von Stock- und Wurzelholz
ausgeglichen wurde. Ende des 19. Jahrhunderts wurden jährlich
rund 300000 Festmeter aus dem Staatswald ausgegraben bzw. später durch
Stockrodemaschinen herausgezogen.
Nach wie vor konnten die Waldarbeiter trotz eines hohen körperlichen
Einsatzes an jeweils zehn Arbeitsstunden pro Tag nur relativ wenig Holz
gewinnen. Dazu kam, dass die besser zahlende Industrie Arbeitskräfte
abzog, während die staatlichen Forstverwaltungen die Löhne nur sehr zögerlich
aufbessern konnten. Im Salinenwald wurden ab 1850, in Schwaben
und Niederbayern ab 1860 private Waldarbeiter-Unterstützungsvereine gegründet – um 1900 bestanden dann an 66 bayerischen Forstämtern Waldarbeiterhilfskassen
als Kranken- und Begräbniskassen, als Alters-, Invaliden-,
Witwen- und Waisenkassen. Wie notwendig diese Kassen waren, belegen
einige überlieferte Zahlen: Innerhalb von nur 20 Jahren vor 1908 verunglückten
im Kgl. Bayerischen Staatsforst 369 Holzhauer tödlich. Selbst
zwischen 1950 und 1960 waren noch 90 Tote zu beklagen.
Gleichzeitig mit dem verstärkten Einschlag von Nutzholz wurden Änderungen
im Waldwegebau vordringlich.Weil dieWege hoher Belastung nicht
gewachsen waren und die Bringungstechnik nicht ausgereift war, konnte
oftmals nur ein einziger Stamm je Gespann befördert werden. Der Ruf nach
einem „wohlgeplanten und gut unterhaltenen Wegenetz“, den der Kgl.
Forstmeister und Dozent für forstliche Baukunde in Aschaffenburg, Dotzel,
1898 in seinem „Handbuch des forstlichen Wege- und Eisenbahnbaus“ hatte
laut werden lassen, musste zwangsläufig gehört werden. Hatte es 1860 in
Bayerns Staatswald erst 785 Kilometer befestigte Forststraßen gegeben, dazu
5 500 Kilometer Erdwege und 1000 Kilometer Schlitten- und Ziehwege, so durchzogen 100 Jahre später 9 000 Kilometer Forststraßen die Staatswälder.
Im Jahr 2001 ist der Staatswald mit knapp 22 000 Kilometern ausreichend
erschlossen.
Der Ausbau des Eisenbahnnetzes kam dem Wald in zweierlei Hinsicht
zugute: Einmal wurde mit dem Verkauf des benötigten Schwellenholzes
Geschäft gemacht, zum anderen konnte Holz jetzt über große Entfernungen
transportiert werden, vor allem das direkt in Waldnähe in Sägewerken
veredelte Schnittholz. Dazu kam, dass die Verlegung eines zeitlich begrenzten
Schienennetzes, nicht zu aufwändig war. Auf Schmalspurbahnen
wurden beispielsweise die Millionen Festmeter Holz weggeschafft, die infolge
der Schäden durch Nonnenraupen im Ebersberger und im Forstenrieder
Park sowie im Nürnberger Reichswald geschlagen werden mussten. Die
Spiegelauer Waldbahn war um das Jahr 1930 an die 100 Kilometer lang und
beförderte im Jahr bis zu 100 000 Festmeter Holz. In den 1920er und 30er
Jahren entstanden Waldbahnen in Fall, Spitzingsee, Reichenhall und Ruhpolding.
Der allgemeine technische Fortschritt und der Zwang zu Rationalisierung
machten sich in den 1920er Jahren auch bei der Arbeit im Wald bemerkbar.
An der Münchner Universität wurden am Lehrstuhl für Forstbenutzung Arbeitsgeräte
und Arbeitsverfahren entwickelt und geprüft. Das Reichskuratorium
für Wirtschaftlichkeit (1921) und der Reichsausschuss für Arbeitszeitermittlung
(1925) führten die genaue Messung der Arbeitsabläufe ein,
auf deren Basis angemessene Stücklöhne.